Undercover!

Schweigend waren sie alle durch die Katakomben des Schlosses hierher gegangen – zur Darksite, in Erwartung des Showdowns. Irgendwo hatte sie mal gelesen, dass all diese Schlösser eine Schauseite hätten. Die hatten sie gesehen, darin hatten sie genächtigt, darin hatten sie gefeiert, darin hatten sie ihre Liebe zelebriert.

Doch sie, sie alleine, sie hatte ja auch schon an der Darksite geschnuppert, immerhin das. Die Ahnung sagte, jetzt würde es noch dunkler. Es war ganz ruhig, unheimlich ruhig. Ob das Monster ruhte? Oder hatte sie sich das wirklich alles nur eingebildet? Zu Gesichte bekommen hatten sie es bisher ja noch nicht. Ein Schauer durchzuckte da ihren Körper. Sie fühlte sich auf einmal sehr nackt unter ihrem süßen Samtkleidchen, nackter als es der Tatsache entsprach. Doch, was sollte denn passieren? Felix, die Rothaarige, Tina – alle waren sie doch da, sie war wahrlich nicht allein in diesem darkroom.

Rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz, weiß wie… ging es ihr durch den Sinn. Huch, wieso das denn? Außerdem stimmte die Reihenfolge nicht und… – wo war das Weiß? Freilich trugen die Zwillinge weiße Röckchen. Hatte das eine Bedeutung?

Eine Begrüßung gab es nicht, wozu auch? Alle Anwesenden wussten doch, worum es ging. Die Versteigerung der Novizin war verschoben worden, weil die der Dienstmädchen zu viel Zeit in Anspruch genommen hatte. Jene zwei, die nach Tina an der Reihe gewesen waren, gerieten an Herrinnen, die darauf bestanden hatten, ihr besonderes Talent doch erst mal zu testen – nach dem Motto: man kauft ja nicht die Katze im Sack.

„Kommen wir endlich zur Sache“, zerschnitt das finstere Timbre der Schwarzen Herrin die von Spannung und dunkler Ahnung erfüllte Stille. „Nach all dem Dienstmädchen-Herumgezicke, das der laxen Auktionsleitung geschuldet war, wird nun endlich die unartigste, unverschämteste und sündhafteste Novizin, die es je gegeben hat, an den Mann oder die Frau gebracht. Und eines ist gewiss: Auch wenn die keiner haben will – die geht weg!“

Zur Bekräftigung ihrer Worte, die nicht nur eine kleine Retourkutsche gegen die Rothaarige, sondern die Betonung ihrer Machtposition darstellten, bekamen die Zwillinge, wie schon des Öfteren, die Halteketten zu spüren. Was die alles abhalten mussten! Schon das Hinschauen erzeugte Zusammenzucken – genau wie die letzten Worte der Schwarzen Herrin. Hieß das etwa…?

„Los, führt sie herein!“

Und zack, noch einmal die Kette. Befehl und Bekräftigung desselben an ihre Gespielinnen und wohl abermals Erfüllungsgehilfinnen. Die erhoben sich beinahe synchron in gymnastischer Schnelligkeit und verschwanden mit ihren über dem Boden schleifenden Ketten zwischen Streckbänken und sonstigen Folterplätzen, deren Funktion sie nicht kannte und um Himmels willen auch niemals kennenlernen wollte, im hinteren Teil des Raumes. Hatten die hier noch aufgerüstet? So viel war das damals doch nicht gewesen, oder? Oder hatte sie das bei ihrer ganzen Angst und Fürsorge ob dieser, na, wie hatte sie denn noch geheißen, nicht wahrgenommen? Genauso wenig, wie sie wahrgenommen hatte, dass dahinter in der Ecke offenkundig ein weiterer Zugang war. Das war doch damals diese Engelsgleiche gewesen, deren Namen sie bis zuletzt nicht in Erfahrung gebracht hatte.

Diese Engelsgleiche, die doch…. Oh Gott, nein!! Nein!!

Die Rückerinnerung durchzuckte sie wie ein Blitz.

Der Donner folgte krachend hinterher. Wie konnte sie das nur wieder vergessen haben? Kam denn wirklich alles zurück, was man – warum auch immer – verdrängt hatte?

Da war sie wieder – hereingeführt von den Erfüllungsgehilfinnen der Exekutive. Geleitet wie das Opferlamm zum Schafott! Oje, was hatten die nur mit ihr angestellt? Dieser Anblick konnte einem ja das Herz zerreißen. Da war es, das Weiß, aber wie? Die Reste eines zerfetzten weißen Negligés konnten die roten Striemen, von denen ihr Körper übersät war, nicht verbergen. Dicke, schwere schwarze Eisenschellen an Hand- und Fußgelenken und um den Hals zeugten von erlittener Gefangenschaft. Da war es, das Rot wie Blut, weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz. Unerträglich verrückte Intuition!

aus: „Undercover!“ – überall, wo es spannende Bücher gibt, z.B.:

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Veröffentlicht von jeanp

„Ich schreibe, also bin ich." Mein Motto, René Descartes entlehnt, weist mir seit vielen Jahren den Weg. Selten vergeht ein Tag, an dem ich nichts geschrieben habe. Ein anderer Wegweiser sind die Träume. Mit ihnen habe ich jahrzehntelang „gearbeitet" - beruflich: therapeutisch wie im Bildungswesen. Was wir nächtens erleben, kommt tief aus unserer Seele. Das ist mein Thema. Meine Geschichten handeln davon. Ich blicke meinen Heldinnen und Helden in die Seele. Was erleben sie wirklich? Was geht in ihren Köpfen und in ihrer Seele vor? Was passiert mit ihnen, wenn sie sich verlieben und verlieren, sich verirren und finden? Ich freue mich darüber, dass meine Geschichten Anklang finden, und wenn sich jemand bei dem einen oder anderen, was er liest, „ertappt fühlt", leide ich mit ihm - oder freue mich ganz besonders. Denn die Projektionen unseres Unbewussten sind etwas verbindend Menschliches. Und die allerschönste unter ihnen ist doch ohne Zweifel die Liebe. Das ist mein anderes Thema.

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